Monday, September 04, 2006

Die F.M. Alexandertechnik


Vor nunmehr etwa hundert Jahren entwickelte Frederick Matthias Alexander im Zuge eines langen Prozesses der Selbstbeobachtung und Unterrichtserfahrung eine Methode zur bewussteren Steuerung der eigenen geist-leiblichen Einheit. Die F.M. Alexander-Technik erregte bald Aufmerksamkeit bei Schauspielern, Musikern und Tänzern, Leuten also, die im Hinblick auf ihre darstellerischen Ausdrucksmöglichkeiten ein berufliches Interesse an Techniken der psychophysischen Hygiene haben. Aber auch führende Vertreter aus dem Bereich der Wissenschaften und der Erziehung erblickten bald in Alexander einen Pionier einer ganzheitlichen Konzeption vom Menschen.

Die Liste seiner Schüler ist beeindruckend. Berühmte Schauspieler nahmen Stunden bei Alexander und baten ihn sogar in ihre Theatergarderoben, um sich auf ihre Auftritte vorbereiten zu lassen (in seiner ersten Zeit in England besuchte Alexander bis zu fünf Theater am Abend). Prominente Ärzte überwiesen ihm Patienten. Die Schriftsteller Aldous Huxley und George Bernard Shaw nahmen Stunden (und schrieben über ihre Erfahrung), ebenso der Erzbischof von Canterbury und der Earl of Lytton, ExVizekönig von Indien, unter dessen Schirmherrschaft für Alexander eine experimentelle Schule für Kinder zwischen drei und acht Jahren in London eingerichtet wurde. John Dewey (USA), Philosoph und Theoretiker moderner Pädagogik und Dr. Frederick Perls (Südafrika), Psychiater und Begründer der Gestalttherapie, stellten Alexanders Arbeit in der Bedeutung der Forschung Siegmund Freuds an die Seite, erblickten in der einen eine notwendige Ergänzung der anderen. Nikolaus Tinbergen, Physiologe und Mediziner, widmete seine Ansprache zur Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1973 den frühen Forschungen F.M. Alexanders.

Alexander starb in hohem Alter im Jahre 1955. Er selbst hatte zu Lebzeiten die Ausbildung von Lehrern seiner Methode begonnen. In praktisch allen englischsprachigen Ländern, in vielen Ländern Westeuropas und in Israel gibt es heute nationale Berufsverbände von Alexandertechniklehrern, die untereinander Kontakt halten und die Kriterien zur Lehrerausbildung auf dem von Alexander angestrebten Niveau halten. Regelmässig halten jene Verbände internationale Kongresse ab, auf denen Lehrer und Lehrer-Ausbilder der Technik Erfahrungen austauschen und vertiefende Erkenntnisse vom neuesten Stand der Humanwissenschaften referieren.

Im Vergleich zu Alexanders Zeiten hat sich die Landschaft geändert: die Medizin lässt sich zunehmend von psychosomatischen Erklärungsmodellen inspirieren , “Ganzheitlichkeit” ist zum Kulturbegriff der letzten Jahrzehnte geworden, die Angebotspalette von Arbeit an einer bewussteren Leiblichkeit ist mittlerweile ebenso umfangreich, wie die Verzweigungen der Schulen und Lehrmeinungen in der Psychologie. Die F.M. Alexander-Technik zählt dabei zu den wenigen “Klassikern”. Alexanders Forschungsgang, in seinen vier Büchern festgehalten, gilt heute noch als Schulbeispiel wissenschaftlichen Vorgehens. Die Technik sieht auf rund hundert Jahre kontinuierlicher Verbreitung zurück, wobei zu bemerken ist, dass sie zunehmend in öffentlichen Institutionen ihren Platz hat. So zum einen im medizinischen Sektor als präventivmedizinische Massnahme oder als unterstützende Massnahme zur Rehabilitation (in der Schweiz bezahlen bereits einige Krankenkassen Alexander-Übungsserien auf Rezept), zum anderen als Begleitdisziplin in Schulen und Hochschulen, bezeichnenderweise vorrangig solchen für Musik, Theater und Tanz.

Alexander hatte zunächst eine Schauspieler- und Rezitatorenkarriere begonnen. Probleme mit seinem Sprechapparat bis hin zum Stimmversagen während öffentlicher Auftritte zwangen ihn zum Abbruch dieser Tätigkeit. Er ging zu Ärzten; eine organische Erkrankung lag jedoch nicht vor. Da alle Therapieversuche fehlschlugen, wendete Alexander sein Interesse der Erforschung der Ursachen seines Problems zu.

Während der Behandlungen hatten lediglich lange Erholungspausen für seine Stimme eine vorübergehende Verminderung des Phänomens gebracht. Die Eingangshypothese lautete also, dass es sich um eine Verschleisserscheinung handele, die von einem ungünstigen Gebrauch des Stimmapparats herrühren müsse, also von etwas, was er beim Rezitieren tat. Im Laufe seiner Beobachtungen entdeckte er, dass der Akt des Rezitierens tatsächlich von körperlichen Reflexen begleitet wurde, die einen ursächlichen Zusammenhang mit seinem Problem vermuten liessen. Er beobachtete ferner, dass jene Spannungsreflexe Muster bildeten, die auch sein alltägliches Tun und Sprechen, wenn auch in abgeschwächter Form, begleiteten. Es galt also, einen Modus des Tuns, Sprechens und Rezitierens zu finden, bei dem die beobachteten Reflexe versuchsweise ausgeschaltet wurden.
Alexander stiess an diesem Punkt an eine Grenze. Der Reflex, die Macht der Gewohnheit, erwies sich als so stark, dass der blosse Vorsatz, etwas auf andere Weise zu tun, die Methode, weiter und weiter zu probieren, nicht ausreichte, um den ganzen Komplex der automatischen Reaktionen tiefgreifend zu verändern. Im Gegenteil verstärkten sich mit wachsendem Eifer die Probleme und es erwies sich bei Selbstbeobachtungen im Spiegel, dass die kinästhesische Wahrnehmung (Selbstwahrnehmung des Körpers) nicht mit den im Spiegel beobachteten Sachverhalten übereinstimmte, dass also die innere Selbsteinschätzung fehlerhaft und unzuverlässig war.

Das Protokoll von Alexanders Forschungsgang ist ausführlich in seinen Büchern niedergelegt. Dies ist der Ort, die Problemstellung und ihre Lösung im Lichte erweiterter Erkenntnisse in allgemeiner Form vorzustellen.
Die Frage im umfassensten Sinne lautet: Was ist die Natur des Lernens? – oder etwas konkreter: Wie betreibt man am besten einen Lernvorgang unter Einbeziehung der Leiblichkeit des Menschen, obwohl die Sinneswahrnehmungen und Selbstbeurteilungen unzuverlässig sein mögen?

Als “gelernt” gilt schlechthin alles, was vom Gedächtnis des Individuums gespeichert, man sagt auch: “mental repräsentiert” ist. Es lohnt sich, sich zu vergegenwärtigen, was alles als “gelernt” gelten muss; von klein auf: Wahrnehmungen in Beziehung setzen, dem Tasten eine Richtung geben, alle Koordinationen von Bewegung, Aufrichten, Laufen, Abstände einschätzen, Hantieren, Kommunikation, Sprache, soziales Rollenverständnis; später dann: abstraktes Wissen, spezialisierte Betätigungen, Differenzierungsvermögen in der Kultur des Wohnens, Essens, Trinkens, Differenzierungsvermögen im Kunstverständnis, allgemeines Verständnis von Selbst und Welt.
Die Speicherkapazität des Gehirns ist enorm. Alle Sinneseindrücke (einschliesslich die des kinästhesischen Sinnes über muskuläre Dynamiken und Durchgänge durch Gelenkstellungen) sind speicherbar; alle Wahrnehmungen können miteinander in Beziehung gesetzt werden; Assoziationen, Interpretationen, Schlussfolgerungen setzen sich zu einem Selbst- und Weltbild zusammen; der Begriff sei noch einmal wiederholt: all dies ist dann also, bewusst oder unterbewusst, im Horizont des Individuums “mental repräsentiert”.
Die Erweiterung des Horizonts, der Prozess des Lernens, ist ein Anknüpfen. Neuigkeiten haften um so besser im Gedächtnis, als sie sich mit dem Netzwerk des bereits gespeicherten Wissens und Könnens sinnvoll in Beziehung setzen lassen. Bei einem ständig sich erweiternden Netzwerk von Erfahrungen, Kenntnissen, Geschicklichkeiten, bei wachsendem Horizont müsste Lernen immer leichter, immer schneller, immer tiefer gehen.- Erstaunlicherweise ist es umgekehrt; es ist eine Erfahrungstatsache, dass das Lerntempo im Laufe des Alterns abnimmt. Dies trifft auch auf den ganzen Komplex der Bewegungskoordinationen zu. Die bedauerliche Tendenz beim Alterungsprozess scheint die Abnahme der Flexibilität, scheint Einschränkung und Verhärtung zu sein.

Es wird hier die Behauptung gewagt, dass z.B. Unzulänglichkeiten der Bewegungskoordination bis zur Alterssteifheit Erscheinungen sind, die in der Natur des Lernens liegen.

Jeder Lernprozess ist mit Mühe verbunden, auf dem Weg von Versuch und Irrtum, Kritik und Korrektur; jede Neuigkeit wird so lange wiederholt oder durchgearbeitet, bis sie gespeichert und als Repertoire abrufbar ist. Die meisten Vorgänge der Bewegungsfunktion sind hochgradig automatisiert; man sitzt, steht und geht, ohne noch bewusste Kontrolle darüber zu üben.

Für Lernanstrengungen braucht das Individuum ein starkes Motiv. Dies ist zunächst immer der Überlebensinstinkt, die Notwendigkeit, sich zum Überleben geschickt zu machen. Sobald das Repertoire sicher beherrschter Fähigkeiten ausreicht, um im Leben zu bestehen, schwindet die Hauptmotivation, das Repertoire über den alltäglichen Bedarf hinaus zu erweitern. Überdies ist tatsächlich das Erlernen eines Vermögens in individuell ausgeprägter Weise gleichzeitig tendenziell die Verschliessung der Möglichkeit, diese Tätigkeit auf andere Weise zu vollziehen. Sobald etwa ein Violinspieler dem Impuls folgt, zu spielen, wird seine Aktivität sich entsprechend der bereits gespeicherten “mentalen Repräsentationen” der Bewegungsabläufe zum grössten Teil automatisch vollziehen.
Vorhandenes Repertoire von Möglichkeiten ist also für das Lernen Grundlage zur Anknüpfung einerseits, andererseits zugleich offenbar Hindernis zur Einbindung echter Neuigkeiten. Das Wesen der Verschliessung von Möglichkeiten beruht also zum einen in der Abschwächung der Motivation, zum anderen in der Dynamik des Automatismus, andere denkbare Varianten eines Bewegungsablaufs nicht mehr “zum Zuge kommen zu lassen”.

Im Gehirn ist das Ereignis von Reiz und Reaktion ein bestimmtes nervöses Erregungsmuster auf der Grundlage mentaler Repräsentationen; schematisch ausgedrückt: ein bio-elektrischer Impuls nimmt den kürzesten Weg im neuronalen Netzwerk, eben den der Gewohnheit. Da das Gehirn in einigen Aspekten elektronischen Netzwerken von Computern ähnelt, ist man versuchtder, zu sagen, der Erregungsimpuls nimmt den Weg des gerinsten Widerstandes; in Wahrheit ist es wohl komplexer; man sollte vielleicht eher vermuten, dass der Erregungsimpuls die Wege der grössten Resonanz nimmt, eine Hypothese über die zu forschen sich wohl lohnte, mit all ihren sozusagen “musikalischen” Implikationen.

Der Resonanzfall wäre also auf einer subtilen Ebene eine Erklärung für abnehmendes Lerntempo. Konkret: die menschliche Wahrnehmung wird tendenziell dazu neigen, mehr und mehr auf das anzusprechen, was sie schon kennt; noch konkreter: die hereinkommende Information wird an den vorhandenen mentalen Repräsentationen vorbeigeführt; wo sie Resonanz auslöst, entsteht die stärkste Energie, um einen “Abdruck” anzufertigen, das heisst, die neue Information als der alten verwandt im Gedächtnis zu speichern. So wird also auch das Verständnis nach und nach dazu neigen, vor allem das zu verstehen, was es ohnehin schon weiss.

Der Mensch entwickelt Gewohnheiten des Denkens und Kommunizierens, ja selbst des Fühlens. Diesen geistigen Gewohnheiten entsprechen jeweils leibliche Gestimmtheiten, im Ablauf eines Geschehens die jeweiligen Kanons muskulärer Spannungsreflexe. Diese Muster leiblicher Gestimmtheiten oder Spannungsreflexe sind nicht unwandelbar, sie sind auch von Person zu Person in ihrer Komplexität jeweils verschieden, aber im grossen Massstab gibt es allgemein Parallelen. Die Struktur des Organismus verschleisst sich in Bewegung und Arbeit innerhalb weniger Konstitutionstypen auf ähnliche Weise. Die muskuläre Symptomatik bei Gefühlsstimmungen verläuft ebenfalls ähnlich unter den Individuen. Vor allem Stresserlebnisse setzen Instinktreaktionen in Gang, deren Automatismus schwer zu durchbrechen ist, da er in älteren Teilen des Gehirns auf sehr “kurzen Wegen” verläuft.
Man kann verallgemeinernd sagen, dass in jedem Lebensbereich ein Moment kommt, in dem der Verschleiss des Organismus den Lernzuwachs (die Anpassungsfähigkeit) tempomässig sozusagen überholt. Es ist der Moment, in dem auf Lernen verzichtet wird, weil die etablierten Reflexe zum Überleben ausreichen; die Person kommt eben noch mit dem, was sie kann und weiss im Leben zurecht. Gewohnheit schafft ein Gefühl von Sicherheit, beides verstärkt sich mit der Routine.

Die Verschleissfaktoren sind bekannt: jeder Bewegungsvorgang kann von vornherein schlecht gelernt sein, (unter ungünstigen Umständen, von schlechten Vorbildern); Gebrauch von unbequemen Möbeln oder dauerndes Arbeiten in ungünstigen Stellungen formen schlechte Gewohnheiten; Sorgen und Leid drücken nieder, Ängste verhärten die Oberfläche (man panzert sich zur Verteidigung gegen mögliche Anfechtungen); Stress provoziert Anspannung; überstandene Krankheiten hinterlassen ihre Spuren; Unfälle mit Körperschaden oder Operationen zerstören Symmetrie und Gleichgewicht, traumatisieren. – Die Selbstwahrnehmung gewöhnt sich an alles. Leibliche Verhärtungen können zusammen mit ihrer emotionalen Ursache aus der Wahrnehmung verdrängt sein, der kinästhesische Sinn, durch chronische Anspannung betäubt, liefert kein komplettes Bild mehr von Spannungszuständen und Gelenkstellungen; die Selbstwahrnehmung wird trotzdem – aus Gewohnheit – die übriggebliebenen Informationen als “das Ganze” nehmen. Diese Verzerrung ist der Grund für die Unverlässlichkeit der inneren Selbstwahrnehmung.

Alexander erlebte einen Verschleiss an seiner Stimme und wurde vorläufig berufsunfähig; immerhin ein starkes Motiv zur Bereitschaft, etwas über die Sache zu lernen. Es gelangen ihm die wesentlichen Einsichten in die Rolle der Gewohnheit innerhalb jeder erlernten menschlichen Betätigung. Sein Verdienst besteht in der Entwicklung einer Technik des Lernens, die die bewusste Steuerung des psycho-physischen Selbst zum Gegenstand hat.

Die Technik beinhaltet nur zwei methodische Schritte. Der erste beruht auf der Einsicht, dass eine Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten auf einen Reiz nur offenbleibt, wenn man zwischen Reiz und Reaktion einen Keil treibt. Er benannte es mit dem englischen Wort “inhibition”. Jeder Schüler der Alexandertechnik muss seine Bereitschaft perfektionieren, seine automatische Reaktion auf einen Reiz zu unterbinden. Es entsteht eine Pause, die kreativ genutzt werden soll, mit einem Entwurf darüber, wie die Mittel beschaffen sein sollten, mit denen die Person auf den Reiz zu reagieren bzw. ein Ziel zu erreichen wünscht. Dieser Entwurf ist der zweite methodische Schritt. Alexander nannte es: (englisch) “direction”, wohl bewusst in der Doppelbedeutung “Anordnung” oder “Richtung”. Gemeint ist die Ausrichtung der Vitalität in der leiblichen Selbstorganisation des Individuums. Aus der Physik könnte man dafür den Begriff “Vektor” entlehnen. “Direction” wäre also ein treffender geistiger Vorentwurf über die Vektoren, entlang derer man die nächste Bewegung zu führen wünscht. Grundlage sind dabei meist die hauptsächlichen Vektoren der idealen Längen- und Weitenausdehnung des eigenen Leibes.

Die geistige Entschlusskraft ist, wenn sie gut trainiert ist, tatsächlich stark genug, mindestens die Bewegungsfunktionen im leiblichen Gebrauch sozusagen “an sich zu ziehen”, und zwar noch gegen alteingefahrene Gewohnheiten. Sie, in dieser “Führungsrolle” und mit tauglichen Direktiven, bereitet auf lange Sicht die zuverlässige Grundlage zu einer korrekteren inneren Wahrnehmung und Selbstbeurteilung.

Die F.M. Alexandertechnik wird in Einzelstunden unterrichtet. Der Lehrer hat in einer dreijährigen praktischen Ausbildungszeit an sich selbst und seinen Studienkollegen Erfahrungen über die Macht der Gewohnheit gesammelt und die Kontinuität seiner Entschlusskraft hinsichtlich klarer Ausrichtungen seiner Leiblichkeit geschult. Er sollte in der Lage sein, muskuläre Spannungsreflexe seiner Schüler während einer typischen Aktivität aufzuspüren und zu beschreiben. Er wählt Direktiven, die im Moment des Innehaltens im Hinblick auf die leiblichen Mittel (“means whereby”), die gleich im Vollzug der Aktivität zur Anwendung kommen sollen, zu erteilen sind. Wenn schliesslich die Aktivität eingeleitet ist, begleitet der Lehrer die Bewegung mit den Händen, bereit, bei jeder neuen unerwünschten Akkumulation von Spannung erneut im Prozess innezuhalten. Der Lehrer ist ausserdem in der Lage, mit seinen Händen die Bewegung sanft zu führen und günstige Vektoren der leiblichen Ausrichtung des Schülers zu stimulieren. Dabei ist er gehalten, kontinuierlich seine eigenen Kräfte bestmöglich zu organisieren, da er selbst in Momenten der Unaufmerksamkeit in ungünstigen Gebrauch zurückfallen kann.
Bei direktem Kontakt zweier Personen löst erfahrungsgemäss jede schlecht geführte Kraft wechselseitig “Interferenzen” aus; umgekehrt wird jeder Kontakt mit einer gut ausgerichteten Person als fördernd empfunden. Der Lehrer sollte also in der Lage sein, kritischen Momenten des Schülers gesammelt standzuhalten, um ihn entweder in die Disziplin zurückzurufen, oder aber erneut innezuhalten.
Der Lernprozess beginnt mit dem Üben einer bewussten Steuerung alltäglicher Situationen und Bewegungen: liegen, sitzen, stehen, und hinsetzen, aufstehen, gehen. Später kann man dazu übergehen, mit den gleichen Kriterien am psycho-physischen Gebrauch während spezieller Betätigungen zu arbeiten. Meist sind die typischen Bewegungsaktivitäten der Berufsausübung vom grössten Interesse.

Tiefgehende Veränderung braucht ihre Zeit und vor allem Kontinuität der Arbeit. Ein Termin pro Woche ist wünschenswert, grössere Häufigkeit ist immer, vor allem zu Beginn, hilfreich.
Wie schon angedeutet wurde, sind die Klienten der Alexandertechnik häufig Personen mit einem beruflichen Interesse an einer Disziplin zur psycho-physischen Hygiene: Schaulspieler, Musiker und Tänzer, auch gelegentlich Sportler. Zu Alexanders Zeit wurde der Nutzen der Arbeit von den Zeitschriften Vogue und Harper`s Bazaar sogar für die Welt der Mode hervorgehoben.

In diesem Artikel sollte aber auch klargeworden sein, welchen therapeutischen Nutzen man aus der Arbeit ziehen kann. Sie ist eine einfache, präzise zu handhabende und wirksame Methode, die äusseren und inneren Umstände zu verändern, die einen krank machen, eben dadurch, dass man unter Einbeziehung der Leiblichkeit einen neuen Umgang mit den jeweiligen Problemen LERNT.

Julian Ehrhorn (erste Geige Tutti Staatliches Sinfonieorchester Argentiniens)

(Übersetzung ins Spanische)

Der Autor des Artikels studierte an der Freiburger Musikhochschule Violine und absolvierte in derselben Stadt die Ausbildung zum Lehrer der F.M. Alexander-Technik. Er hat mittlerweile über 20 Jahre Berufspraxis als Geiger in Opern- und Sinfonieorchestern, ist zur Zeit erster Geiger des Staatlichen Sinfonieorchesters von Argentinien und unterrichtet die Alexandertechnik vorzugsweise unter Musikern.